Das ICH wird als Mittelpunkt des Universums betrachtet. Das ICH ist umgeben von Augenblicken und Empfindungen die manchmals leise unser Trommelfell oder unsere Augen berühren, doch diese Augenblicke sind immer außerhalb des eigenen ICHS.
ICH bin kein Egoist, denn ich liebe und sorge für meine Frau, meinen Mann, meine Kinder, werden viele von Ihnen denken und schon allein dieser Gedanke stellt uns selbst wieder in den Mittelpunkt – ICH.
Egoismus ist negativ, weil er oft verhindert einen Handlungsablauf als Gesamtes zu betrachten, aber können wir es uns leisten, k e i n Egoist zu sein?
John Steinbeck schrieb einmal in seinem Buch Die Straße der Ölsardinen „Alles was wir am Menschen bewundern, Edelmut, Güte, Ehrlichkeit, Anstand, Mitgefühl, Herz, führt in unserem Gesellschaftssystem nur zu Fehlschlägen, während alle Eigenschaften, die wir angeblich verachten, Härte, Raffsucht, Selbstsucht und Charakterlosigkeit zum Erfolg beitragen“.
Wir, als Mitglied einer Familie, einer Gemeinde, eines Staates haben, trotz des Wissens nur ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein, die uns übertragenen Aufgaben selbst zu erfüllen. Wir müssen unseren Beitrag zur Erhaltung der Familie leisten, mit unserer Hände Arbeit für die Finanzierung der Gemeinde und des Staates beitragen und bekommen dafür nicht viel mehr als das Gefühl dazuzugehören, ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Wir müssen unsere Mieten, unsere Versicherungen und Lebenserhaltungskosten selbst bezahlen und können nicht zurückgreifen auf den Topf der Gemeinschaft. Wenn die Mitglieder einer Gewerkschaftsgruppierung laut protestierend durch die Strassen ziehen und die Parolen „Wir kämpfen für unsere Rechte“ von sich geben, ist doch bei jedem einzelnen das Wort „ICH“ ausschlaggebend um überhaupt daran teilzunehmen, oder sich damit einen Platz an der Sonne zu ergattern.
Der Hungrige ist gezwungen mehr an sich zu denken, als der Satte, der Satte hat mehr Möglichkeiten sich umzuschauen und an andere zu denken. Kein Egoist zu sein ist eigentlich ein Luxus den sich nur wenige von uns leisten können.
Treue mit dem Selbsterhaltungstrieb zu paaren ist wie ein Balanceakt auf dem Hochseil. Herr Meyer ist ein Ekel. Er betrügt seine Frau, ist ein selbstgefälliger Macho, doch bietet er ihr ein Leben im Luxus und Wohlstand. Sie ist ihm treu, akzeptiert und toleriert seinen menschenverachtenden Egoismus, ist aber wahrscheinlich ein größerer Egoist als er, weil sie die Vorteile dieser Gemeinschaft für sich in Anspruch nimmt.
Mittelalterliche Vorstellungen über Firmenzugehörigkeiten gehören, wie der Ausdruck schon beweist, der Vergangenheit an und das Wort „Firmentreue“ hat sich spätestens in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wie eine Luftblase aufgelöst. Während noch bis hinein ins 19. Jahrhundert die Angestellten und Arbeiter wie Leibeigene behandelt wurden, die so mancher Arbeitgeber als festes Inventar in seinen Firmenbüchern verzeichnen konnte, so war es noch in den 60er Jahren nichts Ungewöhnliches, dass jemand als Lehrbub in einem Betrieb angefangen und nach 45jähriger Zugehörigkeit seinen Abschied genommen hat. Heute ist es anderes. Wir haben uns das Recht erworben flexibel zu sein. Wir folgen lockenden Angeboten, die das monatliche Budget um ein paar Euros aufbessern, wechseln die Arbeitsstätten wie die Hemden, suchen neue Herausforderungen und Aufgaben um letztendlich draufzukommen, dass man selbst auswechselbar ist und der Gemeinschaft der Arbeitenden auf einmal nicht mehr angehört und ausgestoßen ist.
Ob es das Wort „gesunder Egoismus“ überhaupt gibt, weiß ich nicht, aber ich könnte mir vorstellen dass wir, wenn wir das Wort ICH um die Nuance WIR erweitern, viele Probleme aus der Welt schaffen könnten und das Zusammenleben in einer Familie, einer Gemeinde oder einem Staat um vieles leichter sen könnte.
Das meint Eure Wienerin
Irene-Christine Graf
Das meint winchi