Freunde haben bedeutet Freude. Denken wir doch zurück an unsere Kindheit. Die beste Freundin, mit der wir sogar das Schauferl im Sandkasten teilten, der beste Freund in der Schulzeit, dem man all die kleinen, großen Geheimnisse anvertrauen durfte und der einem nie verriet. Ein Freund, der Wegbegleiter in der Studien- oder Lehrzeit war oder die Freundin der man von der großen Liebe erzählen konnte. Sie alle waren Stationen im Leben, die von Glück und Geborgenheit erzählen.
Und doch scheint es, dass die meisten Menschen, mit zunehmendem Alter, die Fähigkeit verlernen Freunde zu gewinnen. Natürlich wird man im Laufe der Zeit mit der Wahl der Freunde vorsichtiger, man selektiert mehr und man stellt mehr Anforderungen. Hat es in der Kindheit genügt, dass die „beste Freundin“ auch Schokoladenpudding so sehr geliebt hat wie man selbst, so sollte heute das Bildungsniveau schon ziemlich ident sein, die finanzielle Basis nicht zu weit abweichend und das Erlebte sich irgendwie ähneln. Hohe Ansprüche, die sich um unser Herz legen, oft eine unüberwindbare Mauer bilden und uns selbst in die Einsamkeit treiben.
Nicolas de Chamfort, ein französischer Schriftsteller und Philosoph, schrieb einmal:
„Die neuen Freunde, die wir uns nach einem gewissen Alter erwerben und welche uns jene ersetzen sollen, die wir verloren haben, gleichen diesen, wie Glasaugen, künstlichen Zähnen und Holzbeinen, den natürlichen Augen, Zähnen und Beinen von Fleisch und Blut.“
Ich gebe ihm nur teilweise recht. Freunde sind Wegbegleiter, mit denen man die Höhen und Tiefen des Lebens durchwandert, aber teilt man nicht nur Teile des Weges mit Ihnen? Ist der Studienfreund nicht nach Australien ausgewandert und lebt in einer Welt die uns fremd ist? Hat die beste Freundin nicht einen verrückten Maler geheiratet, ist nach Amerika ausgewandert und sich einen unverkennbaren Akzent zugelegt? Was macht eigentlich die Sandkastenfreundin? Liebt sie noch immer Schokoladenpudding?
Der Freund in Australien hat eine neue Familie, einen neuen Freundeskreis, die Freundin in Amerika umgibt sich mit Intellektuellen, spricht eine Sprache die uns nur mangelhaft verständlich ist, und die Freundin aus den Kindertagen .... ?
Wenn man sich trifft, hier oder jenseits des Atlantiks, dann plaudert man über alte Zeiten, kichert über so manch gespielten Streich und erzählt sich Erlebtes aus jüngster Vergangenheit. Man freut sich über das Glück des Freundes - ist aber nicht mehr Teil des Geschehens.
Viele von uns, die hier, auf dieser zauberhaften Insel, fern von ihren alten Freunden in der Heimat, leben in Einsamkeit. Hin und wieder ein kurzes Telefonat in die alte Heimat – „wie geht´s? wie ist das Wetter?“, eine Grußkarte „Frohe Weihnachten oder alles Gute zum Geburtstag“ oder ein Beileidsschreiben.
Anastasius Grün schrieb einmal „Blumen sind an jedem Weg zu finden, doch nicht jeder weiß den Kranz zu winden“. Öffnen wir doch unsere Herzen, machen wir doch Platz für neue Freunde, für Menschen die vielleicht ein bisserl anders, aber deswegen genauso wertvoll sind. Machen wir doch Platz für Freunde, die Freude am Leben bedeuten
meint Ihre Wienerin
Irene-Christine Graf
