Zwar musste ich aus diesem Grund nicht nur sauber gewaschene Hände vorzeigen, sondern mich auch in zwickende Schuhe zwängen und jenes von mir so abgrundtief gehasste Kleiderl mit dem Spitzenkragen anziehen, aber die Aussicht dass so manche Leckerei für mich abfallen würde, wog alle Bedenken auf. „Die Leut´ sollen ja nicht glauben, dass das Kind nichts zum Anziehen hat“ war ihre Meinung und auch sie putzte sich heraus. Nein, nicht jenes prachtvolle Gewand mit dem sie sonntags zur Kirche ging, sondern jenes Kleid mit den tiefen Taschen, in dem sie ihr Geldbörsel verwahren konnte – wegen dem „Gsindl“ was sich auf solchen Plätzen halt herumtreibt. Sie liebte den Duft von frischen Gewürzen und Kräutern, feilschte um Obst- und Gemüsepreise, ließ sich beraten welche Köstlichkeit man aus dem angebotenen Stück Fleisch zubereiten könne und traf Bekannte und Freunde mit denen sie ein Schwätzchen hielt. „Nein so etwas“ hörte ich sie dann verwundert sagen, wenn ihr eine ihrer Bekannten Neuigkeiten mit verschwörerischer Mine ins Ohr flüsterten oder „ja mei, ist halt eine verrückte Welt heut.“ Spätestens dann erhielt ich jedoch einen Doppelschilling und durfte mir etwas kaufen, was unweigerlich zum Abbruch des Marktbesuches führte – weil das Kind sich angekleckert hatte.
Später dann, als jenes unselige Kleid mit dem Spitzenkragen schon lange bei der Altkleidersammlung angelangt war und ich einen eigenen Haushalt führte, behielt ich jedoch diese Tradition bei.
Am Samstag Vormittag traf man sich am Naschmarkt, jenem Platz zwischen der Wiener Sezession und der Kettenbrücke, der schon seit Anfang des 18. Jahrhunderts den Händlern Platz bot um ihre Waren anzubieten. An fest gebaute Standln bei denen üppig dekorierte Waren feil geboten werden, reihen sich mehr oder minder baufällig aussehende Hütten wo fremdländisch aussehende Händler exotische Produkte lautstark anpreisen und klapprige Tische auf denen „Flohmarktware“ traurig auf ein besseres Dasein wartet. Man trifft sich am Naschmarkt, kauft die benötigten Produkte, manchmal etwas was man eigentlich gar nicht braucht, geht auf ein Kaffeetscherl, probiert die neue Lieferung Oliven und Käse, erfährt Neuigkeiten im Flüsterton und hat das Gefühl ein Teil dieser Stadt zu sein.
Egal wo wir diese Plätze auf dieser Welt auch finden, es ist immer ein Ort wo man den Menschen näher sein kann. Am Fischmarkt, in Venedig bei der Rialtobrücke, kann man bessere Rezepte zur Zubereitung eines Tintenfisches erfahren als im teuersten Kochbuch farbenfroh abgedruckt sind; am Viktualienmarkt in München erlebt man die Bayern in ihrer Urform und die Menschen die sich am Night Market in Hongkong durch die Gänge schieben bieten tiefere Einblicke in ihre Mentalität als man in Reiseführern lesen kann.
Schon in Rom im Jahr 490 v.Chr. war man sich der Notwendigkeit so eines Platzes bewusst und das Forum Romanum ist wohl der wichtigste Zeitzeuge. Er war Zentrum des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und religiösen Lebens und nicht nur Händler boten dort ihre Waren an, sondern auch der Klerus und die Menschen die Politik machten versuchten dort Gleichgesinnte zu finden.
Auch noch heute finden wir allerorts Märkte. Ob Flohmarkte, Gemüse-, Obst-, oder Fischmarkte, doch wir können uns eines neuen Marktplatzes erfreuen – eines Forums über das Internet. Und davon gibt es unzählige.
Politik, Wissenschaft, Medizin, Sport, Literatur, Kunst oder Antiquitäten, und ich zähle hier nur einen Bruchteil auf, alle bedienen sich eines Forums um, so wie die Menschen im alten Rom, Gleichgesinnte zu finden oder an neue Informationen zu kommen.
Ein Marktplatz lebt von der Vielfältigkeit der Menschen die dort agieren, ihre Waren anbieten, ihre Informationen unters Volk bringen – und je facettenreicher das Angebotene ist, um so interessanter ist es für den Besucher.
Ich bewundere die grandiosen Fotos die in unserem Forum gezeigt werden, begrüße die Schilderungen von Wanderwegen, die ich zwar nicht nachvollziehe, aber meinen Gästen weitergeben kann, freue mich, dass ich nicht die Einzige bin, die mit „Canguro net“ kämpft und bin glücklich darüber, dass ich unendlich viele nette Menschen kennengelernt habe.
Und, ob ein Forum gut oder schlecht ist, hat meist mit den persönlichen Bedürfnissen zu tun. Wenn ich eine Abhandlung über die Liebespraktiken der Maikäfer suche werde ich kaum in einem Forum über Bergsteigen fündig werden, genauso wenig wie ich am Christkindlmarkt eine antike Vase ersteigern kann. Und wenn mir der Hinweis über einen Ufolandeplatz am Teide ein Schmunzeln entlockt, erinnert es mich halt an meine Großmutter die, angetan mit ihrem Kleid mit den tiefen Taschen meinte „nein, so etwas“. Spätestens dann war der Beitrag lesenswert und motiviert zum Weiterlesen, denn Schmunzeln ist die Vorstufe zum Lachen und Lachen verschönert ganz einfach den Tag.
Das meint Eure Wienerin
Irene-Christine Graf
D
Auf dass ich hier noch viele Male schmunzeln darf!
´
Liebe Grüße
da so mancher sich in einem Forum den Kopf zerbricht was gut und nicht gut ist
an und in einem Forum
Wie Du selbst sagst: es liegt an den persönlichen Bedürfnissen der User
und an sonst gar nichts (natürlich mit der tatkräftigen Unterstützung der aktiven User)
ich freue mich immer, wenn ich in diesem Forum eine neue Kolumne vor dir zu Lesen finde. Sie sind immer ein Genuss!
ich freue mich schon jede Woche auf Deinen Beitrag.
Meist scheuen, mich die Beträge, wo viel Text ist. Aber obwohl Deinen Texte lang sind, lese ich sie gerne.
Vielen Dank für die Zeit, die Du in dieses Forum investierst. Ich will nicht schleimen aber Deine Beiträge sind eine absolute Bereicherung.
aber Dein Beitrag liebe Wienerin kann gar nicht lang genug fuer mich sein,die verschlinge ich regelrecht und freu mich schon auf den Naechsten