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Wehe, wehe

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  • Wehe, wehe

    Dass ich eine besondere Vorliebe für das kleine Wörtchen „wenn“ habe, dürfte den meisten meiner Leser schon aufgefallen sein. Dieses nur aus vier Buchstaben bestehende Wort, welches eine Aussage ins Irreale bringt, ist für einen Schreiber halt einfach schön. In der Grammatik wird es folgendermaßen beschrieben:
    Der Konjunktiv II wird auch Irrealis oder Möglichkeitsform genannt. Er wird verwendet,um unmögliche und unwahrscheinliche Bedingungen oder Bedingungsfolgen zu benennen oder um auszudrücken, dass unter mehreren an sich möglichen Folgen infolge menschlicher Entscheidungen durch Ermessensgebrauch eine bestimmte Folge ausscheiden werde. Durch die Formulierung von Bedingungen und ihren Folgen lassen sich auch Vorstellungen und Wünsche, die wahrscheinlich nicht eintreten werden oder unmöglich sind, oder die Zweifel des Sprechers an bestimmten Sachverhalten zum Ausdruck zu bringen.
    „Wenn ich ein Vöglein wär´ und zwei Flüglein hätt´, so flög ich zu Dir“.
    Keine Angst, ich will in dieser Kolumne keinen Grammatikunterricht geben und auch den vielleicht aufkommenden Zweifel zerstreuen, dass ich die Absicht habe mich in einen Vogel zu verwandeln und zu den Sternen fliegen will, aber das Wort „wenn“ hat für mich eine neue, irreale Bedeutung bekommen.

    Wenn man, so dachte ich bis jetzt, einen nicht abgelaufenen Pass besitzt, so hat man doch ein gültiges Dokument, in welchem sämtliche persönlichen Daten, auf das genaueste kontrolliert, und eingetragen sind. Man muss ja, zur Erreichung jenes angeblich weltweit gültigen Büchels jede Menge Beweise erbringen, dass man überhaupt existiert. Da braucht man die Geburtsurkunde, die beweist, dass man wirklich geboren wurde, die mit Stempelmarken versehene Geburtseintragung vom Standesamt, dass man sich als zukünftiger Steuerzahler bereits hat registrieren lassen, den Meldezettel, der beweist dass man nicht auf der Strasse lebt und, in Österreich den Staatsbürgerschaftsnachweis. Wenn man dann, und hier ist wieder mein Lieblingswort, nach Vorlage aller Originaldokumente, dem Bezahlen einer jährlichen steigenden Gebühr und einer geraumen Wartezeit dieses alles umfassende Papier in Händen hält, glaubt man doch, hiemit die Wahrhaftigkeit der eigenen Person beweisen zu können. Zumindest auf jene im Pass eingetragene Frist. Eigentlich logisch, nur wenn, ja wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre.
    Wenn man nämlich draufkommt, dass die Gültigkeit eines Passes in einigen Monaten abläuft, man sich an die Wartezeiten in Wien erinnert, die Umwege über die Botschaft mit einkalkuliert und die kanarische Geschwindigkeit ins Kalkül zieht, beginnt man halt rechtzeitig damit sich um eine Neuausstellung zu kümmern. Dazu braucht man ja halt die Originaldokumente von Geburtsurkunde, Geburtseintragung und ….. Und dann sucht man in den unzähligen Dokumenten den Staatsbürgerschaftsnachweis, der auf unerklärlich Weise verschwunden ist.
    Friedrich Schiller schrieb in der Ballade die Kraniche des Ibykus
    Doch wehe, wehe, wer verstohlen
    Des Mordes schwere Tat vollbracht!
    Wir heften uns an seine Sohlen,
    Das furchtbare Geschlecht der Nacht.

    und irgendwie gehen mir diese Verszeilen in den letzten Tagen nicht mehr aus dem Sinn, denn wehe, wehe, wenn man sich schuldig gemacht und ein Dokument verlegt oder verliert.

    Es ist mir passiert – ich weiß nicht wo, ich weiß nicht wann, aber ich weiß, dass ich mir ein Duplikat besorgen muss. Also marschiere ich, bewaffnet mit meinem Pass und frohen Mutes, dass er ja noch 8 Monate gültig ist, in das österreichische Konsulat. Dass ich auf der Suche nach der im Internet angegeben Adresse halb Orotava kennen gelernt habe, da Umleitungen und Baustellen mich ins Nirwana führten, sei nur nebenbei erwähnt, aber letztendlich stand ich da und eine sehr nette Dame hörte sich staunend mein Anliegen an. „Das Papier muss bei einem Notar oder einem Amt liegen geblieben sein“ erklärte ich ihr „aber ich weiß beim besten Willen nicht wo.“ „Denken Sie nach“ meinte sie liebenswürdig „mit so einem Papier fängt ja niemand was an.“ Nach dem ich ihr beichtete, dass ich mein Gewissen bereits in allen Richtungen durchforscht hätte, aber nicht fündig geworden sei und halt um eine Neuausstellung ersuche, setzte sie sich seufzend zu ihrem Schreibtisch und kramte nach einem Antragsformular. „Also da brauche ich ……..“ meine immer größer werdenden Augen bedachte sie mit einem weiteren Lächeln und meinen Hinweis, dass ich ja meinen Pass besitze kommentierte sie nur mit „Tja“. Bewaffnet mit einem Anforderungskatalog und dem Hinweis, dass sie ja nächste Woche wieder 2 Tage im Konsulat sei, verließ ich kopfschüttelnd das Büro.
    Eine Woche später, bewaffnet mit allen möglichen Originalpapieren, fand ich mich wieder ein. Sie kontrollierte meine Geburtsurkunde, fragte nach den Namen meiner Eltern, wo und wann sie geheiratet hätten, sonderbarer Weise nicht wo ich gezeugt wurde. Mokiert reagierte sie auf meinen Einwand dass ich nicht auf einem Standesamt sondern in der Klinik geboren wurde und mit dem Hinweis, sie würde die Unterlagen jetzt nach Madrid schicken und ich könne mit einer Wartezeit von ca. 6 Wochen rechnen, verabschiedete sie mich.
    Na gut, selber schuld, dachte ich mir und glaubte die Angelegenheit ins Rollen gebracht zu haben. Wenn …….
    Ja wenn nicht die nette Dame vom Konsulat mich ein paar Tage später angerufen hätte um mir zu erklären, dass die Botschaft in Madrid eine polizeiliche Verlustanzeige brauche. „Was soll ich denn zur Anzeige bringen“ war meine empörte Antwort „das ich ein bisserl blöd war?“ Das Schweigen am anderen Ende der Leitung sprach Bände und der Hinweis, dass ich ihr die Verlustanzeige ja nächste Woche bringen könne beruhigte mich nicht wirklich. Wie sagte doch Schiller „Wir heften uns an seine Sohlen …..“?
    Ein Besuch bei der Polizei ist immer ein aufregendes Erlebnis. Man lernt in dem überfüllten Wartesaal vom Schicksal geprügelte Menschen kennen, denen Brieftaschen und Ausweise gestohlen wurden, die sich bitter beklagen über die Unverschämtheit der Ausländer, sprich Canarios, wundert sich über Beträge welche die Menschen bei sich hatten und fragt sich, ob denn all das Erzählte stimmen könne. Man kommt zu einem jungen Beamten, der stöhnend bemerkt dass man deutsch spricht, den Hinweis macht, dass man zuerst eine telefonische Anzeige machen solle um eine Nummer zu bekommen und sich letztendlich doch bereit erklärt die Anzeige in, vielleicht von mir nicht perfekt gesprochenen, spanisch zur Kenntnis zu nehmen. Nach dreieinhalb Stunden hat man den Wisch, ist freudig erregt, und nimmt den nächsten Öffnungstermin des Konsulates wahr. „Danke“ meint die nette Dame „jetzt dürfte es in Ordnung gehen.“
    Wenn, ja wenn, ihr da nicht ein klitzekleiner Fehler unterlaufen wäre, denn die von mir vorgelegte Meldebestätigung in der Gemeinde Puerto de la Cruz ist nur 6 Monate gültig und meine wurde ……. ja 8 Monate vorher ausgestellt. Also machte ich mich auf den Weg ins Ajuntamiento, besorgte mir eine neue, brachte sie ins Konsulat und dachte „Erledigt“.
    Eine Sache ins Rollen zu Bringen ist wenn man alle Anforderung erfüllt hat und wenn sie, infolge menschlicher Entscheidungen durch Ermessensgebrauch, akzeptiert werden. In meinem Fall nicht, denn ich erhielt einige Tage später einen Anruf vom Konsulat, dass noch ein paar Unterlagen fehlen würden, welche die Botschaft in Madrid in Fotokopie benötige. Ich hab sie ihr gebracht und wenn, ja wenn ich Glück habe, darf ich nach Erhalt meines Staatsbürgerschaftnachweises dann um die Neuausstellung eines Passes ansuchen.
    Werde wohl in den nächsten Monaten wenig Zeit zum Schreiben finden, das glaubt
    Eure Wienerin
    Irene-Christine Graf

    • Beate
      #1
      Beate kommentierte
      Kommentar bearbeiten
      Schöner Beitrag und toll geschrieben. Ich mußte doch sehr lachen, denn die Geschichte erinnert mich irgendwie an eigene Erfahrungen (vermutlich nicht nur mich), zuletzt an die unendliche Geschichte "ich möchte ein Auto auf mich ummelden". Wie oft ich den Weg Los Silos-Puerto gefahren bin, um das (angeblich) "letzte noch fehlende Dokument" in der Gestoria vorzulegen, kann ich gar nicht sagen. Aber immer, wenn ich dachte, ok, das war jetzt alles, hieß es "ah, danke, und jetzt brauchen wir noch dieses/jenes/welches, dann ist alles komplett". Dieser Satz wiederholte sich nur leider jedesmal. Aber im Nachhinein läßt sich wenigstens gut über solche Geschichten lachen.
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