Nach alter Tradition halten wir Österreicher uns natürlich streng an die seit jahrhunderten geltenden Regeln. Wir zelebrieren den Aschermittwoch, der die 40-tägige Fastenzeit einleitet, nach alter Tradition mit einem auswahlreichen Büffet auf dem natürlich auch Heringsalat zu finden ist, aber sich sonst halt nach den Vorlieben der geladenen Gäste richtet. Ein bisserl ein kaltes Bratel, ein glaciertes Hühner- oder Entenbrüsterl, kanadischer Räucherlachs mit Oberskren und in Bierteig herausgebackene Scampi dürfen natürlich auch nicht fehlen. Französische Gemüsemajonaisesalate und der Erdäpfelsalat nach Altwiener Hausfrauenart erfreuen sich auch großer Beliebtheit. Alles selbstverständlich von hervorragender Qualität und dementsprechend teuer, was eine kostenbewusste Hausfrau natürlich zur Verzweiflung bringt und es damit unmöglich macht die Reste in den Müll zu werfen. Die Menüfolge der nächsten Tage haben dann nicht mehr sehr viel mit Fastenzeit zu tun, denn die übrig gebliebenen Henderln landen in einem italienischen Risotto, das Bratel wird mit einem frisch gekochten Knödel und Sauerkraut ergänzt und die Salate schmecken auch am dritten Tag mit einem frisch herausgebackenem Schnitzerl hervorragend.
Irgendwann sind dann halt auch die letzten Reste verwertet oder doch im Müll gelandet und man begibt sich in den Supermarkt um die Lebensmittelvorräte wieder aufzustocken, findet frisch geschnittene, hauchzarte Rinderschnitzerl, die man laut Aussage des Ehemanns ja mindestens 100 Jahre nicht mehr auf dem Speiseplan gehabt hat, sieht das Angebot von, mit Steinpilzen, gefüllten Ravioli, die sich in zarter Oberscreme hervorragend servieren lassen und der Alltag hat wieder Einzug in das Leben genommen.
Spätestens 14 Tage vor dem Ostersonntag wird mein Mann unruhig, weil ja einerseits eine Einladung zum Osterbrunch ausgesprochen wurde und andererseits der Postweg von Österreich auf die canarischen Inseln meist länger als 4.000 KM ist, wenn man die Umwege über Südamerika berechnet, die so manches Paket genommen hat. Der Wunschzettel an unsere Wiener Freunde auf dem das österreichische Geselchte und die Krenwurzeln ganz oben stehen ist schon lange abgeschickt, aber die Liste auf welcher wir mögliche Menüvarianten notieren haben wird halt immer länger.
„Wir könnten doch ....“ ist eine jener Redewendungen die mir den Angstschweiß auf die Stirne treibt, denn die kulinarischen Gelüste meines Mannes sind selten mit wenig Arbeit verbunden. „Kannst du dich erinnern....“ kommt gleich danach, weil der Hinweis meist mit der Bitte irgend eine Rezeptkomposition wenigstens auszuprobieren verbunden ist.
Die Zeit vor dem Ostersonntag ist gefüllt mit ausprobierten Möglichkeiten ob man dies oder jenes Rezept den geladenen Gästen überhaupt vorsetzen kann und überbrückt so, gezwungener Maßen, die Fastenzeit. Die ausgelöste, gefüllte und gerollte Lammkeule lässt sich nicht lang genug warm halten, das panierte Kaninchen ist nicht jedermanns Sache und das Ossobucco mit Gremolata dürfte nach dem frischen Spargel mit Sauce hollandaise doch etwas zu viel sein, weil als traditionelle Nachspeise ja die Topfenoberscremetorte mit den Erdbeeren unbedingt auf den Plan muss.
Der Palmsonntag, jener Sonntag vor dem großen Ereignis ist ausgefüllt mit Backen eines Osterkörbchens aus Hefeteig in dem die bunt bemalten Eier hoffen den Ostermorgen unbeschadet zu überleben und weil das Backrohr ja schon auf Temperatur ist, kann man ja schnell ein paar gefüllte Kipferl machen, denn sonst verdirbt vielleicht der Schinken, der als eiserne Reserve noch im Kühlschrank liegt. Das Packerl aus Wien trifft wider Erwarten doch rechtzeitig ein und ließe uns eine Lebensmittelknappheit von mindestens 3 Monaten unbeschadet überstehen. Kühl- und Gefrierschrank sind zum Bersten voll und, nicht weil man will, sondern weil man Lebensmittel ja nicht verderben lassen kann, unterbricht man halt die Fastenzeit und delektiert sich an heimischen Köstlichkeiten.
Am Gründonnerstag, gibt es Spinat, ganz selbstverständlich, denn schließlich und endlich befinden wir uns in der Karwoche, und am Freitag Fisch, schwimmend in frischem Fett gebacken, mit zart gewürzten Kartoffelmayonaisesalat. Aber die Vorbereitungen um das Ende der Fastenzeit gebührend zu feiern laufen auf Hochtouren. Das aus Österreich geschickte Geräucherte muss gekocht werden und ja noch auskühlen damit es beim Anschneiden nicht zerfällt. Dass hie und da eine Kostprobe fällig ist muss man schon akzeptieren, denn man kann ja seinen Gästen nicht irgendetwas servieren.
Die Wunschliste meines Mannes habe ich, mit Hinweis auf die Anzahl unserer Gäste, drastisch um das Allerlei vom Milchlammrücken, die Stubenküken mit Semmelfülle und den gekochten Beinschinken in Salbei-Honig Kruste gekürzt, aber die Osterpinzen, den Osterstriezel und die Biskuitlämmchen gehören noch gemacht. Das Backrohr und der Herd sind in Dauerbetrieb und ich bin froh wenn diese Fastenzeit endlich vorbei ist
stöhnt Ihre Wienerin
Irene-Christine Graf
Irene-Christine Graf
Danke für die lebendige Geschichte - sie ist wahrlich mitten aus dem
Leben heraus gefischt!
Liebe Grüße aus Icod!
Wenn wir Lust auf was besonderes haben hören wir auf unsren Bauch, ggf. auch auf unser Portemonnaie, aber NIE auf den Kalender.
Das Leben ist schwer genug, warum denn den Streß selber machen?
"liebe freunde,
sicherlich freut ihr euch schon auf das alljährliche aschermittwochs-buffet und das gewohnte ostermahl.
aber in den vergangenen jahren sind hunderte, wenn nicht tausende menschen in der hoffnung auf ein besseres leben bei dem versuch, die kanarischen inseln zu erreichen, verhungert oder verdurstet.
wir haben uns deshalb in diesem jahr dazu entschlossen, auf die gewohnten aschermittwochs- und osterschlemmereien zu verzichten.
das eingesparte geld haben wir der aktion XXXXXXXXX gespendet.
diese aktion versucht die gespendeten mittel als hilfe zur selbsthilfe einzusetzen, um so den menschen in der region hoffnung und unterstützung zu geben.
wir würden uns freuen, wenn ihr das geld, das ihr normalerweise für mitbringsel und diverse magenberuhigunsmittelchen ausgegeben hättet, ebenfalls dieser aktion spenden würdet.
herzliche grüße"
Deine Kolumne erinnert mich sehr an frühere Zeiten, wo die Hausfrauen sich tatsächlich diese schier nie endenwollende Kocherei, Putzerei und Backerei selbst auferladen haben.
Die ganze Karwoche wird gefastet, aufs Fleisch verzichtet und am Karsamstag rennt man um 14 Uhr in die nächste Kirche, zur Fleischweihe.
Danach 3 Tage lang Schlemmerorgien mit der gesamten Verwandtschaft
Diese Zeiten sind vorbei.
Schinken, Geselchtes, Krainer, Rindszunge und gekochte Eier gibt's das ganze Jahr, das Einzige was zu Ostern definitiv dazukommt, ist das Osterbrot vom Bäcker.
Den Einzigen, denen es wirklich Spaß macht - sind die Kinder. Für die ist das ein Fest! Da freue ich mich mit
Von daher denke ich, daß dein Beitrag eher als Persiflage gemeint ist.
Oder doch ein Festhalten an österr. Traditionen, die sich selber überlebt haben? Im Ausland wird man halt auch mal sentimental..
Es gibt bei uns in A sicher noch ein paar Hardliner, die das so durchziehen, aber die sind in der Minderheit.
Das mit dem Geldspenden ist so eine Sache. Versuche schon seit Jahren, speziell auch zu Weihnachten, vergeblich meine Verwandtschaft zu motivieren, die ganzen "Mäuse" in einen Pott zu legen usw. No chance
Naja, so ist das mit eingefahrenen Verhaltensmustern.
Ich werde dranbleiben.
Will aber hier niemandem die Vorfreude auf österliche Gelage mit allem PiPaPo verderben, gelle.
Jeder wie er/sie will.
Den hab ich mal vor einigen Jahren im Radio gehört und irgendwie trifft er ganz exakt die Sachlage. Leider muß ich sagen.
Ist´s an Ostern schön und warm,
kommt die Verwandtschaft und frißt Dich arm.
Ist´s an Pfingsten schön und heiter,
kommen´s wieder - und fressen weiter !