Aus der SZ vom 24. September 2016
Warum man in München glaubt, dass wir Ostdeutschen alle von Geburt an rechtsradikal sind.
Mein Münchner Freund kündigt mir die Freundschaft. Mit Menschen, deren Hobby es ist, Polizisten zu verprügeln und Flüchtlinge anzuzünden, möchte er nichts zu tun haben. Mein Argument, dass es auch vereinzelt Ostdeutsche gäbe, die keine Neger durch den Kakao ziehen, überzeugt ihn nicht, weil das Fernsehen immer randalierende Ossiglatzen und Opis zeigen würde, die sich trotz Ischias nach Pflastersteinen bücken.
In München dagegen, so habe es ja die Tagesschau vor einem Jahr bewiesen, leben nur Teddybären, die sich den ankommenden Flüchtlingen um den Hals werfen. Aus Dresden kenne mein Freund dagegen nur eine dumpfdeutsche Menge mit Transparenten wie "Kartoffeln statt Döner", was blöd sei, weil die Kartoffel aus Südamerika kommt. Ich entgegnete, die besorgten Bürger würden sich entsorgt fühlen, was sich auch vor zwei Wochen in Mecklenburg gezeigt habe, als ein älterer Fischkopp auf die Frage, ob er aus Frust die AfD gewählt habe, antwortete: "Nee, nee, ich wähle nicht aus Frust, ich habe einfach die Schnauze voll."
Ich denke, sage ich, mit diesen Leuten müsse man reden, denn aus Angst vor Fremden würden auf Usedom schon die Fremdenzimmer abgeschafft. Ich verwies darauf, dass sich ja bei den Krawallen in Bautzen der Oberbürgermeister tapfer geschlagen habe, als er sich unters alkoholisierte deutsche Jungvolk mischte. Dies hätte ich nicht sagen dürfen, denn die Frage folgte prompt: Warum denn Herr Tillich dem OB nicht zur Seite gestanden habe, ein Ministerpräsident müsse vor Ort Flagge zeigen, dass er Gewalt und Ausländerhass nicht dulde. da hätte Herr Tillich nach Bautzen gehört, am selben Abend noch, stattdessen tauche die CDU-Landesregierung schon jahrelang unter wie Quallen im Wasser, die man ihrer Glitschigkeit wegen nicht zu fassen bekäme.
Aus Verlegenheit, weil ich nichts zu erwidern wusste, stammelte ich etwas von "vor der eignen Tür kehren", da stünde der Seehofer, der bis zur letzten Patrone gegen Sozialmissbrauch von Ausländern kämpfen wolle und dessen Losungen ich manchmal nicht von der NPD unterscheiden könne, und ob man da nicht auch die CSU verbieten müsse, wenn man die NPD verbieten wolle. Da legte mein Münchner Freund auf.
Ich hatte Zeit nachzudenken. Die AfD jagt alle Parteien vor sich her, Wenn ich Frau Petry nicht finde, müsste ich sie warscheinlich unter Seehofers Bett suchen, und Frau Merkel steht daneben und hält die Kerze. Ich war froh, kein Politiker zu sein, der sich selbst verraten muss der Wählerstimmen wegen, weshalb sich auch Sigmar Gabriel wie vom Winde verweht hin- und herbiegt und plötzlich entdeckt, dass die SPD die Partei der kleinen Leute ist und nicht der Wirtschaftsbosse. SPD-Chef und Wirtschaftsminister geht nicht, das ist so, als wolle eine Hure eine Jungfrau bleiben. Dann liegt man plötzlich in der Beliebtheitsskala noch unter einem albanischen Hütchenspieler, bei dem man raten muss, unter welchem Hütchen die Meinung steckt, und alle Hütchen sind leer.
Und wie oft musste die Kanzlerin ihre Meinung derart schnell drehen, dass man sie als Windrad hätte verwechseln können. Ich war grad dabei, sie wegen ihres "Wir schaffen das!" zu bewundern, als sie nun doch einknickte. Es wäre eine Hoffnung gewesen, sie würde nicht erpressbar zurücktreten wie einst Willi Brandt und stur bis ans Ende bleiben wie Franz-Josef Strauß.
Ich frage mich, warum es bei uns im Osten so viel Hass gibt, unsere Lichterketten brennende Heime sind und in regierungsgipfeln Ruh ist, weil die Politiker schweigen wie Vöglein im Walde. Ich fürchte mich vor der eigenen Antwort und bitte alle Leserinnen und Leser, mir zu helfen, es meinem Münchner Freund zu erklären.
Der Kolumnist -Wolfgang Schaller- ist Kabarettist, Autor und künstlerischer Leiter der Dresdner Herkuleskeule. Er ist zu erreichen per E-Mail:
sz.feuilleton@ddv-mediengruppe.de
Warum man in München glaubt, dass wir Ostdeutschen alle von Geburt an rechtsradikal sind.
Mein Münchner Freund kündigt mir die Freundschaft. Mit Menschen, deren Hobby es ist, Polizisten zu verprügeln und Flüchtlinge anzuzünden, möchte er nichts zu tun haben. Mein Argument, dass es auch vereinzelt Ostdeutsche gäbe, die keine Neger durch den Kakao ziehen, überzeugt ihn nicht, weil das Fernsehen immer randalierende Ossiglatzen und Opis zeigen würde, die sich trotz Ischias nach Pflastersteinen bücken.
In München dagegen, so habe es ja die Tagesschau vor einem Jahr bewiesen, leben nur Teddybären, die sich den ankommenden Flüchtlingen um den Hals werfen. Aus Dresden kenne mein Freund dagegen nur eine dumpfdeutsche Menge mit Transparenten wie "Kartoffeln statt Döner", was blöd sei, weil die Kartoffel aus Südamerika kommt. Ich entgegnete, die besorgten Bürger würden sich entsorgt fühlen, was sich auch vor zwei Wochen in Mecklenburg gezeigt habe, als ein älterer Fischkopp auf die Frage, ob er aus Frust die AfD gewählt habe, antwortete: "Nee, nee, ich wähle nicht aus Frust, ich habe einfach die Schnauze voll."
Ich denke, sage ich, mit diesen Leuten müsse man reden, denn aus Angst vor Fremden würden auf Usedom schon die Fremdenzimmer abgeschafft. Ich verwies darauf, dass sich ja bei den Krawallen in Bautzen der Oberbürgermeister tapfer geschlagen habe, als er sich unters alkoholisierte deutsche Jungvolk mischte. Dies hätte ich nicht sagen dürfen, denn die Frage folgte prompt: Warum denn Herr Tillich dem OB nicht zur Seite gestanden habe, ein Ministerpräsident müsse vor Ort Flagge zeigen, dass er Gewalt und Ausländerhass nicht dulde. da hätte Herr Tillich nach Bautzen gehört, am selben Abend noch, stattdessen tauche die CDU-Landesregierung schon jahrelang unter wie Quallen im Wasser, die man ihrer Glitschigkeit wegen nicht zu fassen bekäme.
Aus Verlegenheit, weil ich nichts zu erwidern wusste, stammelte ich etwas von "vor der eignen Tür kehren", da stünde der Seehofer, der bis zur letzten Patrone gegen Sozialmissbrauch von Ausländern kämpfen wolle und dessen Losungen ich manchmal nicht von der NPD unterscheiden könne, und ob man da nicht auch die CSU verbieten müsse, wenn man die NPD verbieten wolle. Da legte mein Münchner Freund auf.
Ich hatte Zeit nachzudenken. Die AfD jagt alle Parteien vor sich her, Wenn ich Frau Petry nicht finde, müsste ich sie warscheinlich unter Seehofers Bett suchen, und Frau Merkel steht daneben und hält die Kerze. Ich war froh, kein Politiker zu sein, der sich selbst verraten muss der Wählerstimmen wegen, weshalb sich auch Sigmar Gabriel wie vom Winde verweht hin- und herbiegt und plötzlich entdeckt, dass die SPD die Partei der kleinen Leute ist und nicht der Wirtschaftsbosse. SPD-Chef und Wirtschaftsminister geht nicht, das ist so, als wolle eine Hure eine Jungfrau bleiben. Dann liegt man plötzlich in der Beliebtheitsskala noch unter einem albanischen Hütchenspieler, bei dem man raten muss, unter welchem Hütchen die Meinung steckt, und alle Hütchen sind leer.
Und wie oft musste die Kanzlerin ihre Meinung derart schnell drehen, dass man sie als Windrad hätte verwechseln können. Ich war grad dabei, sie wegen ihres "Wir schaffen das!" zu bewundern, als sie nun doch einknickte. Es wäre eine Hoffnung gewesen, sie würde nicht erpressbar zurücktreten wie einst Willi Brandt und stur bis ans Ende bleiben wie Franz-Josef Strauß.
Ich frage mich, warum es bei uns im Osten so viel Hass gibt, unsere Lichterketten brennende Heime sind und in regierungsgipfeln Ruh ist, weil die Politiker schweigen wie Vöglein im Walde. Ich fürchte mich vor der eigenen Antwort und bitte alle Leserinnen und Leser, mir zu helfen, es meinem Münchner Freund zu erklären.
Der Kolumnist -Wolfgang Schaller- ist Kabarettist, Autor und künstlerischer Leiter der Dresdner Herkuleskeule. Er ist zu erreichen per E-Mail:
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