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    #1

    Klima und Landschaft

    Ich liebe das Anagagebirge. Nicht nur wegen seiner ungewöhnlichen Flora, die mich schon als Schüler begeisterte und heute immer noch als gestandener Biologe fasziniert, handelt es sich doch beim Anaga um das Gebiet mit der höchsten Artenvielfalt Europas, sofern wir die Inseln, diesen Kontinent im kleinen, wegen seiner politischen Zugehörigkeit zu Europa rechnen wollen. Mich beeindruckt immer wieder ein lehrbuchmäßig nahezu täglich zu beobachtendes Naturschauspiel: Der Anaga-Föhn. Was wir beim Befahren der Höhenstraße TF-12 oder beim Wandern dort oben als starken Wind spüren, der die Wolken über den Bergkamm treibt und die Landschaft so märchenhaft erscheinen lässt, ist ein stetiger Föhn, wie wir ihn bei bestimmten Wetterlagen in den Alpen erleben. Die gleiche Erscheinung gibt es auch im Teno-Gebirge, nur nicht so beeindruckend. Das liegt daran, dass das Anaga-Gebirge von einem schmalen Hauptkamm gebildet wird, während das Teno-Gebirge breiter ist und eine deutliche Hochfläche (wenn auch von Barrancos unterteilt) besitzt.

    Subtropische Luft ist normalerweise trocken und kann daher ziemlich viel Wasserdampf aufnehmen. Das geschieht täglich über dem Meer. Dadurch wird die Luft etwas trüber, sodass wir von der Nordküste aus an den meisten Tagen die Insel La Palma nicht sehen können. Die angewärmte feuchte Luft steigt auf. Damit sinken ihr Druck und ihre Temperatur und dadurch ihre Fähigkeit Wasserdampf zu speichern, was ab etwa 800 - 1000 Höhenmetern zu Wolkenbildung führt. Diese Wolken sind normalerweise nur wenige hundert Meter dick, da sich darüber eine trockenere und wärmere Luftschicht befindet, die das weitere Aufsteigen der Wolken verhindert. Der stetig wehende Nordostpassat treibt die Wolken gegen die Insel. Sie stauen sich, weil sie nicht auf 2000 m aufsteigen können, im Orotavatal, das daher sein mildes Klima bekommt, können aber nach geringem Aufstieg über die nur bis zu 1000 m hohe Anaga- bzw. Teno-Halbinsel hinwegziehen. Dabei entsteht der Föhn; denn die Wolken geben an der Insel-Nordseite zwangsläufig etwas Wasser beim Aufsteigen ab, das ihnen nach Überquerung der Höhe fehlt. Die Luft erreicht beim Absinken den Süden also trockener. Da sich beim Absinken trockene Luft stärker erwärmt als feuchte Luft beim Aufstieg abkühlt (die Physik lasse ich jetzt mal außen vor), erwärmt sie sich jetzt schneller, wird dadurch relativ trockener und sorgt für das trockene Klima an der Südküste. Wenn man etwas genauer hinschaut, sieht man, wie sich deswegen die von Norden heranziehenden dichten Wolken wenige Meter jenseits des Bergrückens auflösen. So bekommt man das normalerweise nur in Schemazeichnungen in Lehrbüchern zu sehen.

    Wer genau hinschaut, kann auch erkennen, dass die Lorbeerwälder vorzugsweise in genau der Höhenstufe wachsen, in der die Wolken von Nordosten die Insel erreichen. Lorbeerwälder gab es übrigens ursprünglich in dieser Höhenstufe entlang der gesamten Nordseite. Sie wurden weitgehend abgeholzt. Heute wachsen an ihrer Stelle Baumheide und Gagelbaum (Fayal-Brezal) als Übergangsgesellschaft. Die Ausbreitung der Lorbeergewächse wird durch die Forstverwaltung unterstützt.

    Ebenfalls kann man schön sehen, wie an manchen Stellen im Anaga der Boden richtig nass ist, obwohl es nicht geregnet hat. Das Kondenswasser tropft von den Bäumen, was als horizontaler Regen bezeichnet wird. Er ist sehr wesentlich an der permanenten Auffüllung der Grundwasserreserven der Insel beteiligt.
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    Zuletzt geändert von lagarto66; 28.02.2011, 17:56. Grund: Korrektur

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    #2
    Hallo lagarto66,
    vielen Dank für die aufschlussreichen Erklärungen. Mich interessiert schon seit meinem 1. Inselbesuch anfangs der 70er Jahre die Entstehung von Grundwasser und im Zusammenhang damit auch die Wasserversorgung auf TF. Vielleicht könnten dazu noch ein paar ausführliche Beiträge auch von anderen Forenmitglieder hier eingestellt werden , würde mich sehr freuen!

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      #3
      Zitat von Robert_R Beitrag anzeigen
      Hallo lagarto66,
      vielen Dank für die aufschlussreichen Erklärungen. Mich interessiert schon seit meinem 1. Inselbesuch anfangs der 70er Jahre die Entstehung von Grundwasser und im Zusammenhang damit auch die Wasserversorgung auf TF. Vielleicht könnten dazu noch ein paar ausführliche Beiträge auch von anderen Forenmitglieder hier eingestellt werden , würde mich sehr freuen!
      Mache ich gerne demnächst.

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        #4
        Nachdem ich mich neben Wandern auch intensiv mit Teneriffa und seiner Entstehung beschäftige, kann ich auch einiges dazu sagen.
        Durch unzählige Vulkanausbrüche, die manchmal Asche und Gesteinsbrocken auf die Landschaft schleudern, dann wieder als zähflüssige Lavaströme durch die Landschaft fließen, die ziemlich wasserdicht sind, versickert z.b. der ganze Niederschlag der Canadas und sammelt sich im Inneren der Insel in wasserdichten Becken, die überall auf Teneriffa angebohrt werden und so als Trinkwasser zur Verwendung kommt. Die meisten Quellen der Niederschläge der Canadas werden rund um Vilaflor gefaßt, In Vilaflor wird Mineralwasser abgefüllt, das auf der ganzen Insel zu kaufen gibt.
        Ein weiteres Wasser wird durch warme feuchte Luft an die Kiefernnadeln abgegeben, wenn die feuchre Luft an der Nordseite aufsteigt und an den Nadeln der Pinien kondensiert ( es bilden sich dann am Nachmittag die Wolken ) und auch versickert. Oberhalb der Ortschaft Los Silos tritt dieses Phänomen besonders stark auf, die Gegend heißt bezeichnender Weise "Montana del Agua", aus den zwei Barrancos, in die man links nach Erjos und rechts nach El Palmar hinaufgehen kann, kommen zahlreiche Wasserrohre, deren Wasser in einem alten Vulkankegel zwischen Buenvista und Los Silos gespeichert wird und die Gegend mit Trinkwasser versorgt.

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          #5
          Mayerhofer hat mir schon ein paar Infos zum Trinkwasser abgenommen. Zunächst einmal ist richtig, dass die Wasserversorgung der kanarischen Inseln stark von den Ganzjahresniederschlägen abhängt. Diese sind bei den niedrigen Inseln Lanzarote und Fuerteventura sehr gering, weil dort die Berge nicht hoch genug sind, um die Passatwolken einzufangen. Sie sind auf die wenigen Regentage des Jahreslaufs angewiesen und benötigen daher für ihren Wasserbedarf Meeresentsalzungsanlagen, die aber die Salinität des Meerwassers und damit die Meeresökosysteme negativ beeinflussen. Die übrigen Inseln sind hoch genug, um nicht nur vom winterlichen Regen / Schnee abzuhängen.

          Der Unterschied wird auf den horizontalen Regen, also die Niederschläge aus dem Wolkennebel zurückgeführt. Die Nebeltröpfchen schlagen sich, vor allem bei leichter Abkühlung, an (rauen) Oberflächen nieder. Wer einmal an den Nadeln der kanarischen Kiefer (Pinus canariensis, besonders lange und weiche Nadeln) mit den Fingern entlangstreicht, merkt, dass deren Oberfläche rau ist. Die Tropfenbildung daran ist manchmal intensiv, die weichen Nadeln biegen sich leicht abwärts und lassen die Tropfen zur Spitze laufen. Dort wachsen sie, bis sie abtropfen. (siehe Foto) Man kann das beobachten, wenn man sich etwas Zeit nimmt. Ähnlich funktionieren die lorbeerblättrigen Gewächse der Lorbeerwälder, die alle eine ausgeprägte Blattspitze und mehr oder weniger deutliche Ränder oder Rinnen aufweisen, an denen die Tropfen entlang rollen.

          Die wissenschaftlichen Untersuchungen über dieses Phänomen lieferten keine einheitlichen Ergebnisse. Allgemein akzeptiert ist, dass es diesen Niederschlag gibt. Seine Ergiebigkeit ist umstritten. Einige Autoren kommen aufgrund ihrer Messungen zu dem Schluss, diese Wassermengen reichten gerade zur Versorgung der Bäume aus, von denen dieses Wasser abtropft. Andere sehen einen deutlichen Überschuss. Für Letzteres spricht der Unterschied der natürlichen Wasservorkommen zwischen den hohen und den niedrigen Inseln.

          Die Passatwolken ändern ihre durchschnittliche Höhe im Verlauf der Jahreszeiten. Diese ist im Winter am größten, dann schneit es in den Ca?adas und im Sommer am niedrigsten. Die entsprechende Abbildung ist dem Buch von Pott, Hüppe und Wildpret de la Torre "Die Kanarischen Inseln", Ulmer 2003 entnommen.

          Zu den (ehemaligen) Wasserquellen und den Wasserstollen und -leitungen schreibe ich ein anderes Mal.
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          Zuletzt geändert von lagarto66; 01.03.2011, 20:12. Grund: falsche Abb. hochgeladen

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